Zum Verein

Unter dem Dach der katholischen Kirche gab es in Neubrandenburg bereits vor 1989 einen kleinen, familiären Hauskreis, in dem sich christlich und humanistisch geprägte Menschen trafen, die nach der Wende den Neubrandenburger Dreikönigsverein gründeten. Erst die Deutsche Einheit sprengte die engen Grenzen christlichen Lebens in der DDR und schuf die Möglichkeit, sich in Vereinen zu engagieren.   

In ihrer Vereinssatzung einigten sich die Mitglieder auf folgende Formulierung:

„Ziel des Vereins ist es, über konfessionelle Grenzen hinweg, unabhängig von politischen Parteien und im Geist von Demokratie und Toleranz soziale und christliche Initiativen zu unterstützen, christlich-humanistische Kunst, Kultur und Bildung zu fördern sowie sich für eine umfassende Völkerverständigung einzusetzen.“

Am 6. Januar 1992 präsentierte sich der Verein zum ersten Mal der Öffentlichkeit mit einem Benefizessen, das seitdem jedes Jahr stattfindet und längst zu einer Neubrandenburger Tradition geworden ist. 

Erster Festredner war der damalige Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Alfred Gomolka.

Rainer Prachtl in „die hospiz zeitschrift - palliative care“

Reflexionen des Zusammenwachsens in Deutschland seit der Deutschen Einheit - ein Zeichen gegen Polarisierung

Im Oktober 1990 erlangte ich das Direktmandat für den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern und wurde zum Präsidenten unseres Landesparlaments gewählt. Mit Begeisterung, Freude und Dankbarkeit für unser neues Deutschland nahm ich die politische Arbeit im Landtag auf. Mein Mandat bedeutete für mich, ,,in Verantwortung zu dienen". Ich wollte dazu beitragen, dass es nie wieder eine Diktatur in Deutschland gibt. Ich wollte, bestärkt durch die katholische Soziallehre, mit Vorbildwirkung und authentisch geistige Bereiche des Zusammenwachsens in Deutschland und den Aufbau unseres Bundeslandes befördern.

So begleiten mich seit 33 Jahren folgende Thesen:

1. These

Ich werde nicht vergessen, wie der Bundespräsident Richard von Weizsäcker bei seinem Antrittsbesuch im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern zu mir sagte, dass neben der Wirtschaft, dem Sozialen, der Ökologie und anderen auch der geistige Bereich zu den Politikfeldern gehöre und dieser der bisher am meisten vernachlässigte sei.

Genau das musste ich im Verlauf der Jahre meines politischen Handelns auch erfahren. Geschichtskenntnisse, politische Bildung, Kampf gegen Extremismus, Einsatz für Demokratie, Kommunikation in der Gesellschaft - all das wurde nur mangelhaft eingefordert. Vielen Politiker*innen waren fast ausschließlich der Aufbau der politischen Instanzen und die Wirtschaft wichtig. Und diese Defizite gibt es meines Erachtens bis heute, bei aller Freude über die zurzeit stattfindenden Demonstrationen.

2. These

Eine These von Ludwig Erhard lautet: ,,50 % der Wirtschaft sind Psychologie". Dies gilt noch immer. Es muss gesagt werden, dass der psychologische Anteil beim Aufbau der neuen Bundesländer, aber auch unserer neuen Bundesrepublik noch höher war und bis heute ist. Mit Zukunftsvisionen, politischer Klarheit, Charakter und Führungsstärke, mit Verantwortungsethik für die Menschen, vor allem in den neuen Bundesländern, hätte einfühlsamer und solidarischer umgegangen werden müssen bei allem, sicher hehrem politischen Gestaltungswillen.

Beispiele dafür habe ich im Buch „Für ein neues Land" schon 1994 aufgezeigt. So hätte man nach der friedlichen Revolution Leute aus der Schicht der Intelligenz, die nicht dem alten System nachhingen, für Führungsämter im politischen, ökonomischen oder auch ökologischen Bereich systematisch qualifizieren müssen. Gerade diese Menschen waren durch die DDR-Diktatur zum Schweigen gebracht worden. Unter „Qualifizieren" verstehe ich dabei nicht nur die Vermittlung von technisch-funktionalen Fähigkeiten, sondern auch die Bildung auf geistig-philosophischem Gebiet, Schulung in Rhetorik, Psychologie und Menschenführung. So wäre es besser möglich gewesen, ihnen verantwortungsvolle Positionen zu übertragen. Diese Chance wurde vertan. Wir hätten uns viel stärker dafür einsetzen müssen, auch auf diese Art eine regionale Identität zu schaffen und zu wahren. Der Mensch braucht Wurzeln für sein Menschsein.

3. These

Eine dritte wichtige These stammt vom Philosophen Paul Watzlawick: ,,Die Wirklichkeit bestimmt die Kommunikation". Denken, Fühlen und der Wissensstand der ehemaligen DDR-Bürger*innen waren geprägt von zwei aufeinanderfolgenden Diktaturen. So waren viele Wertequellen nicht im Bewusstsein der Bürger*innen unseres Landes verankert. Hierzu folgendes Zitat des Philosophen Eberhard Tiefensee: ,,Der europäische Wertekanon, der sich aus den Quellen Judentum, Antike, Christentum und Aufklärung speist, ist hochkompliziert zusammengesetzt. Viele Werte beruhen auf Einsicht. Diese Einsicht ist aber notwendig, denn wo Einigung nur auf dem Wege des Politischen und des Funktionalen, des Fiskalischen abgewickelt wird, bleibt das eigentlich Soziale und Gesellschaftliche, bleibt eine im weitesten Sinne ethische Qualität auf der Strecke."

So waren Wertequellen wie zum Beispiel die Arbeiterbewegung und christliche Wertevorstellungen verschüttet. Selbst Gregor Gysi betont bis heute, wie wichtig die Bergpredigt oder das Gebot der Nächstenliebe für uns sei. Psycholog*innen erklären immer wieder, dass es ein Unterschied sei, ob man 12 oder über 50 Jahre in einer Diktatur lebe und damit Freiheit und Rechtsstaatlichkeit über Jahrzehnte nicht hätte erfahren können. Wir ehemaligen DDR-Bürger*innen hatten andere Verhaltensweisen erlernt. Wer sich anpasste, wurde belohnt. Weder Meinungsfreiheit noch Eigenverantwortung, also eine gesunde Autarkie, wurden eingeübt. Wir durften Bürger*innensinn und Eigenverantwortung nicht verwirklichen. Und vergessen wir nicht, dass die DDR-Diktatur eine starke eigenständige Landwirtschaft eliminiert hatte, Handwerksbetriebe und mittelständische Firmen erheblichen staatlichen Restriktionen unterworfen waren.

Eine weitere Folge der Diktatur war, dass sich nur relativ wenige Bürger*innen nach der Wende den demokratischen Parteien anschlossen, obwohl diese für die politische Gestaltung ausschlaggebend waren. So hatte zu meiner Amtszeit die Stadt Augsburg mit circa 200.000 Einwohner*innen mehr Mitglieder demokratischer Parteien als Mecklenburg-Vorpommern mit 1,6 Mio. Einwohner*innen. Und das ist bis heute so.

Das Zusammenwachsen in Deutschland fand viele bedeutende Betrachter*innen. Im Aufsatz „Über Politik und Intellektuelle" kritisiert der Schriftsteller Christoph Hein die Politiker*innen und ihr Hecheln nach Wahlerfolgen und die damit verbundene Unaufrichtigkeit. Er kritisiert aber auch das Versagen der Intellektuellen darin, Mensch zu sein. Er fragt unser Menschsein an. Und hier gibt es Parallelen. Friedrich Hölderlin schrieb am Ende des 18. Jahrhunderts eine vernichtende Diagnose des von der Kleinstaaterei zerrütteten deutschen Gesellschaftslebens in seinem Briefroman „Hyperion": ,,Und dennoch sag' ich's, weil es Wahrheit ist, ich kann kein Volk mir denken, das zerrissener wäre als die Deutschen, Handwerker siehst du, aber keine Menschen, Denker und Priester, aber keine Menschen, Herren und Knechte, junge und gesetzte Leute, aber keine Menschen, ist das nicht wie ein Schlachtfeld." Die Menschen würden nur noch in ihren engen Berufs- und Standesgrenzen denken und handeln. Die seelenlosen Menschen dieser Gesellschaft besäßen zwar Fleiß und Wissen, aber keine Kunst; sie arbeiteten im Akkord, aber sie gäben keinen Akkord, keinen Einklang, würden sich nicht ergänzen wie Töne zu einem Lied, zu einer Harmonie, so Hölderlins Ideal. Sie hätten sowohl den Bezug zu ihrem Ursprung und ihren Wurzeln in der Natur, als auch zum Ganzen der Gesellschaft, der Nation, aber auch den Bezug zur Menschheit insgesamt, zum Ganzen der Welt verloren.

In der aktuellen Krisenzeit ist das Empfinden weit verbreitet, dass wir menschlich auseinanderdriften. Das sieht auch der kürzlich verstorbene internationale Publizist Alfred Grosser ähnlich. Auf die Frage, worauf sich eine Gemeinschaft von Demokrat*innen gründen müsse, antwortete er: ,,Es ist das Gegenteil von dem, was in Deutschland und Frankreich passiert. Es gibt kaum Bürger im Sinne von Citoyens. Die Menschen sind zuerst Ärzte, Lehrer oder Apotheker, aber nicht Bürger, die sich mitverantwortlich fühlen für das Ganze. Unsere Gesellschaften zerfallen .... Wir (....) brauchen ein Bürgergefühl (...) eine Zugehörigkeit zu einer politischen Gemeinschaft. Für mich ist Politik das Höchste, was es in einer Gemeinschaft gibt. Politik, das sind die Ziele und Regeln, die sich die Gemeinschaft gibt, um zu versuchen, ihre eigene Zukunft zu meistern. Dazu braucht man die Bürger". In diesem Kontext ein letztes Zitat: Der Präsident der Bundesarchitektenkammer Fromme erklärte zu einem hochgebildeten Berufsstand im September 2010: ,,Wir erziehen akademische Knechte".

Ich bin fest davon überzeugt, Hölderlin, Grosser, Fromme haben Recht. Wir sollten ihre Kritik ernst nehmen. Die Meinungsforschung weist uns immer wieder darauf hin: ,,Die öffentliche Geringschätzung der Politik untergräbt die Fundamente der Demokratie". Wir alle sollten mehr nachdenken, uns hinterfragen und entsprechend handeln. Die Begleiterscheinungen und Folgen der Coronapandemie, aber auch die spürbare Zerrissenheit unserer Gesellschaft schrecken auf. Viele Bürger*innen haben den Glauben an die Demokratie verloren. Klimakrise, Krise des Bildungssystems, Massenmigration, Bedrohung des Weltfriedens, ungerechte Aufteilung der Güter, fehlende Verantwortungs- und Gesinnungsethik erzeugen Fassungslosigkeit und Frust in breiten Schichten der Bevölkerung. Ein radikaler Egoismus ist deutlich spürbar, aber auch das Streben nach Fun, nach immer größerem Wohlstand, manchmal auch die Gier nach maßlosem Gewinn. So lassen sich Gruppen oder Staaten vom „Rette sich, wer kann" inspirieren (,,America First") und folgen damit einem schlechten Leitstern. Nötig wäre das Gegenteil.

Wenn wir Krisen als Chance eines Neuanfangs sehen, haben wir Grund zu Optimismus. Wenn politisch Verantwortliche aber neben vielfältigen, vernünftigen politischen Aktivitäten keine Herzenswärme ausstrahlen, eher kalt oder unbelehrbar und egoistisch sind oder erscheinen, erreichen sie die Menschen nicht. Wir müssen der Bevölkerung gerade in diesen Zeiten der Zerrissenheit und Kriegsgefahr sozial und mit hoher Ethik authentisch und zugewandt begegnen. Unsere Demokratie, Wirtschaft, soziale Sicherung und unsere kulturellen Lebensweisen beruhen auf geistiger Orientierung und Aktivitätspotenzialen, die nicht selbstverständlich sind, sondern sorgsam gepflegt werden müssen.

Dazu gibt es bedeutende literarische Hinweise, die uns ermutigen, christliche, humanistische, ethische Maximen umzusetzen. Vielleicht würde es die weitverbreitete Politikverdrossenheit nicht geben, wenn wir auch auf den Astrologen im Faust II hören, den Goethe sagen lässt: ,,Wer Gutes will, der sei erst gut, wer Freude will, besänftige sein Blut, wer Wein verlangt, der keltere reife Trauben, wer Wunder hofft, der stärke seinen Glauben".

Ein erneuerter Mensch und eine erneuerte Lebenspraxis könnten helfen, der Unzufriedenheit entgegenzuwirken, sie zu überwinden. Denn Liebe muss wichtiger sein als Reichtum, persönliche Ausstrahlung wertvoller als Prestige, innere Zufriedenheit bedeutsamer als eine hohe Position, menschliche Geborgenheit wichtiger als finanzieller Überfluss. Und –­­ persönliche Gespräche sind nicht ersetzbar durch Social Media. Vielleicht erreichen wir so Nachdenken inmitten von Gedankenlosigkeit, Stille inmitten von Alltagslärm, Bedeutungsanspruch inmitten von Beliebigkeit, Freude inmitten von Fun.

Mit Gründung des Dreikönigsvereins Neubrandenburg im November 1991 konnte ich als Gründungsmitglied ein Zeichen des Neubeginns setzen. Unser Verein ist in unserer Region verwurzelt und zielt auf weite Dimensionen. Soziales und Geistiges werden unter seinem Dach vereint. Die große Anteilnahme der Menschen unserer Region an den Aktivitäten des Dreikönigsvereins bezeugen ihre Sehnsucht danach. So erfreuen sich die philosophischen Gesprächskreise und die Jugendreisen nach Israel seit Jahren größter Beliebtheit. Die jährlich stattfindenden Dreikönigstage mit Festredner*innen wie Michael Gorbatschow, Angela Merkel, Joachim Gauck, Wolfgang Thiese oder Reinhard, Kardinal Marx sind besondere Höhepunkte unserer Arbeit.

Der Dreikönigsverein setzt mit seinen Aktivitäten auf ein über Jahrhunderte hinweg wirkendes Zeichen, wie die drei Weisen aus dem Morgenland mit ihrem Aufbruch, dem Stern von Bethlehem zu folgen, ihren Gaben und ihrer Huldigung. Dieses Suchen, Finden und Schenken der drei Könige hat uns auch für die Zukunft Hoffnung gegeben. Vor allem für den Einsatz für schwerstkranke Menschen in der ambulanten Hospizarbeit sowie im stationären Dreikönigshospiz.

Mit der ambulanten Hospizarbeit 1996 startend wurde mit dem Bau eines stationären Hospizes 2003 unsere Hospizarbeit auf ein festes Fundament gestellt und in das Leben unserer Stadt integriert. Unterstützt von vielen engagierten Bürgerinnen und Bürgern sowie Sponsoren ist das hospizliche Wirken durch unseren Verein ein ermutigendes Zeichen ethischen Handelns. Dankbar können wir konstatieren, dass wir bisher über 3.000 schwerstkranke Menschen und ihre Angehörigen begleiten konnten.

Unsere hospizliche Tätigkeit und damit auch unser Leuchtturm ­­– das Dreikönigshospiz – ist gerade in der jüngsten Vergangenheit durch coronabedingte Einflüsse und vor allem durch Personal- und Sachkostensteigerungen, die nicht von den Kostenträgern wie üblich übernommen wurden, finanziell herausgefordert worden. Wir mussten alle Finanzreserven des Vereins einsetzen, um die Hospizarbeit auf hohem Niveau aufrechterhalten zu können. Andernfalls wären wir, wie viele Pflegeeinrichtungen oder sogar Krankenhäuser, in die Insolvenz gegangen. Bei der Gründung von Hospizen geht es darum, solitäre Einrichtungen unabhängig von Krankenhäusern zu schaffen. So haben wir kein Krankenhaus oder großen Sozialverband zum Partner, der uns über Gewinne oder Geldzuwendungen, z. B. vom Bundesland, vor einer Schließung bewahren könnte. Der engagierten Arbeit unserer ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Dreikönigshospizdienstes sowie vielen Sponsor*innen ist es zu verdanken, dass wir diese Krise vorläufig überwunden haben.

„Menschen auf ihrem letzten Lebensweg zu begleiten, Sterbenden in den letzten Tagen und Stunden ihres Lebens liebevoll beizustehen und ihren Zugehörigen zu helfen, ist eine Aufgabe menschlicher Solidarität, die uns alle angeht." Das sind Worte, die ich zur Eröffnung unseres Hauses, in dem der ambulante und stationäre Hospizdienst unter einem Dach vereint worden sind, allen hospizlich Engagierten ans Herz legen konnte und damit auch Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, empfehlen möchte.

Rainer Prachtl
1. Landtagspräsident von Mecklenburg-Vorpommern und Gründer des Dreikönigshospizes

Quelle: die hospiz zeitschrift - palliative care 2_2024

Hildegardisbrotverkauf

Im Gedenken an Hildegard von Bingen verkaufen Mitglieder des Vereins alljährlich an einem Tag im September Dinkelbrote zugunsten der Hospizarbeit. Hildegard von Bingen lebte von 1098 bis 1179. Sie gehörte dem Orden der Benediktinerinnen an und beschäftigte sich unter anderem mit Religion, Medizin, Musik, Ethik und Kosmologie aber auch mit gesunder Ernährung.

Christophorus-Sommerfest

Einmal im Jahr lädt der Dreikönigsverein die Bewohner und Mitarbeiter des Hospizes, seine Freunde und Unterstützer sowie die Mitglieder zu einem Sommerfest auf dem Gelände des Hospizes ein.


Der Vorstand

Rainer Prachtl – Vorsitzender
Manfred Dachner – stellvertretender Vorsitzender
Sabine Bönsch – stellvertretende Vorsitzende
Katharina Schenk – Schatzmeisterin
Markus Bitto – Geschäftsführer